Neulich habe ich von meiner Arbeitskollegin eine Mail erhalten, ich soll doch bitte einen interessanten Bericht ansehen, der im März 2024 in den Medien ausgestrahlt wurde. Es geht darum, ob Meditation "gefährlich" sein kann. Gespannt habe ich mir dann natürlich den Kurzfilm angesehen. Wir wissen, wie man durch solche Medienberichte schnell mal verunsichert wird. Da wurde ja immerhin intensiv und sachlich recherchiert ?! Gerade in einem Thema was in den letzten Jahren so stark an Interesse gewonnen hat.
Ich gebe zu, mir persönlich war der ganze Beitrag zu einseitig und wieder einmal auch vielleicht zu "reisserisch" in seiner Darstellung. Der Rotstift wurde "leider" überall dort angesetzt, wo es um tatsächliche und vor allem sachliche Hintergründe dieser Aussage und deren Begründung geht. Mein erstes Fazit war in kurzen Worten: Moment, kann durchaus sein, aaaber !
Aber was sagt denn nun eigentlich die Wissenschaft dazu ?
Hier mal einige Ausszüge aus frei verfügbaren Medienberichten, Studien und sonstigen Artikeln zu diesem "grossen" Thema:
Wer regelmässig meditiert ist gelassener, entspannter, entwickelt eine bessere Konzentrationsfähigkeit und mehr Selbstbewusstsein sowie Mitgefühl. In der Hirnforschung hat man festgestellt, dass sich die beteiligten Hirnareale bereits nach wenigen Wochen vergrössern können!
Folgende positive Ergebnisse konnten bei gesundheitlichen Beschwerden, Symptomen und Krankheitsbildern erzielt werden:
stressbedingten Entzündungen,
Stabilisierung des Immunsystems,
Müdigkeit und Schlaflosigkeit,
psychischem Stress, Stressbewältigung, Ängsten, Depressionen,
Schmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Migräne-Symptomen,
Blutdruck bzw. Bluthochdruck (Hypertonie),
psychischen Gesundheit und Lebensqualität,
Symptomen des Reizdarmsyndroms,
allgemeinen Wechseljahresbeschwerden,
Behandlung der Folgen einer Gehirnerschütterung (Schädel-Hirn-Trauma)
Klingt schon mal gut und wurde bereits in Teilen in vielen Studien auch nachgewiesen. Aber kann die Meditation auch tatsächlich schaden oder gefährlich sein?
Ich persönlich würde die Frage erstmal grundsätzlich nach der Art der Meditation stellen. Was ist denn eigentlich unter Meditation zu verstehen und um oder über welche Art der Meditation wird denn diskutiert ? Es gibt viele verschiedene Formen der Meditation mit völlig unterschiedlichen Herangehensweisen und deren gewünschten oder angestrebten Effekten. Es gibt sicherlich Methoden oder Praktiken, welche uns vorerst mal weniger mit dem Unangenehmen konfrontieren lassen. Nun gehen wir im weiteren Text aber mal davon aus, es handelt sich um eine achtsame "stille" oder "geführte" Meditation z.B. in Form einer Achtsamkeitsmeditation in der unser Gewahrsein auf unser inneres Treiben gerichtet ist.
Bei psychisch labilen oder angeschlagenen Menschen zum Beispiel ist es erwiesen, dass auch bestimmte Formen von Meditationen helfen können. ABER wer sich aktuell in einer psychischen Krise befindet, mal unabhängig der Form und Intensität UND wenig oder keine Erfahrung mit dieser Form der Meditation hat, sollte möglichst keine stundenlange Sessionen am Stück und/oder über mehrere Tage (Retreats) einplanen. Hier ist es definitiv besser, die ersten Schritte in einer Gruppe mit kompetenter Anleitung zu machen. Es braucht Erfahrung um Menschen auch in unvorhergesehen, akuten Situationen auffangen zu können. Warum das so ist, kann eigentlich ganz einfach an einem Beispiel erklärt werden. Nehmen wir mal an, wir üben uns darin, in der Meditation unsere Aufmerksamkeit von dem Lärm im Aussen nach Innen zu richten. Dann kann sich hier ein Raum öffnen für Emotionen, Gefühle und Gedanken, welche bisher wenig oder keine Beachtung erhalten haben. Oder deren Vorhandensein uns bis zu diesem Zeipunkt vielleicht nicht einmal bewusst war. Vorhandene Emotionen, Gefühle oder auch körperliche Schmerzen können noch stärker in den Vorderungrund treten und sich lautstark zu Wort melden. Das kann übrigens auch Langzeitpraktizierenden passieren, aber diese sind im besten Fall damit vertraut (z.B. im Annehmen und der freundlichen Aktzeptanz allem was sich zeigt) und es ist vielleicht auch ein Teil ihrer Meditationspraxis.
Noch besser und unsere Empfehlung, vorher ärztlich oder therapeutisch abklären lassen, ob dieses Vorhaben im jetzigen Befinden wirklich hilfreich ist, oder es dazu noch eher etwas Vorarbeit mit professioneller, z.B. therapeutischer Unterstützung braucht. Meditation ersetzt keinesweg eine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung! Da in einer Meditation durchaus verdrängte Emotionen auftauchen können, empfehlen wir bei Menschen, z.B. nach einem schweren Trauma, nicht auf eigene Faust und vielleicht noch alleine mit Meditation zu beginnen! In solchen oder ähnlichen Fällen sollte man sich unbedingt VORHER an eine Fachperson wenden.
Also kurz gesagt, wir empfehlen allen Interessierten ohne Meditationserfahrung nicht gleich an einem längeren Retreat teilzunehmen, mit der Vorstellung, dass es dort nur schöne und vielleicht auch spirituelle Erfahrungen zu erleben gibt, sonder eher mit kleinen ersten Schritten zu beginnen. Sonst könnte es tatsächlich passieren, dass du Dich völlig überforderst, körperlich, aber auch geistig. Für alle Interessierten ist es immer empfehlenswert, auch die eigene Motivation an einer Mediationsform zu hinterfragen. Das Warum und die Erwartung sind grundsätzlich mitentscheidend in der Auswahl der Meditationsform, aber auch für ein langfristiges Interesse an diesem Weg.
Also bleibt als mein zweites persönliches Fazit; Es ist durchaus wichtig und auch richtig, dass wir mal kritisch prüfen, ob dieses oder jenes wirklich helfen kann und nicht alles blind glauben, was uns als alleiniges Heilmittel vor die suchende Nase gesetzt wird. Auch Meditations- und Achtsamkeitspraktiken dürfen und sollten auf den persönlichen Prüfstand. Wenn aber schon eine solche Schlagzeile eine Sendezeit bekommt, dann bitte auch sachlich und mit allen Fakten zu diesem wichtigen Thema. Viele Studien zeigen auf, das Meditation durchaus für viele Menschen eine grosse Bereicherung sein kann. Es aber auch sicher Fälle und Situationen gibt, in welchen eher oder vorerst davon abgeraten werden sollte. Das schafft aus meiner Sicht eine entsprechende Transparenz und hilft jedem interessierten Zuschauer die persönlichen Vor- und Nachteil einer solchen Praxis abzuwägen.
Ich hoffe, ich konnte etwas dazu beitragen und würde mich freuen von Dir zu hören.
Irene, Meditationslehrerin in Winterthur
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